Wärmer und trockener?
Klimawandel und dessen Ursachen sind in der Thüringer Landesanstalt
für Umwelt und Geologie (TLUG) schon lange ein Thema. Seit Jahren
beschäftigen sich dort Experten mit den komplizierten Zusammenhängen, um für Thüringen verläßliche Prognosen zu erstellen und entsprechende Handlungsfelder aufzudecken. Es wird wohl auch im Freistaat vor allem in der
Vegetationsperiode wärmer und trockener werden, so prognostiziert
Klimaexperte Rainer Kunka im Interview mit der NTI.
Hinsichtlich der CO2-Emission, die hauptsächlich für den Treibhauseffekt
verantwortlich ist, wird auch in Zukunft, so Bernd Anding, der sich seit
Jahren mit diesem Problem herumschlägt, der Verkehr in Thüringen das
Sorgenkind Nummer 1 bleiben. Während in den letzten Jahren der
Anteil der Industrie und der Energiewirtschaft an den CO2-Emissionen gesunken ist, weist die Bilanz beim Verkehr deutlich nach oben.
NTI: In den letzten Jahren fällt die Zunahme von extremen
Witterungslagen auf. Der Sommer des letzten Jahres ist allen noch genau in
Erinnerung. Und der diesjährige hat es ja auch in sich. Handelt es sich dabei um einen Trend oder doch nur um einen Ausrutscher?
KUNKA: Das 1988 von den Vereinten Nationen gegründete Internationale
Gremium für Klimaveränderungen (IPCC) hat die Klimaentwicklung untersucht und es hat sich gezeigt, daß wir es nicht nur mit einer globalen Erwärmung zu tun, sondern auch mit einer größeren Varianz der Temperaturen. Höhere Temperaturen sind das hauptsächliche Energiepotential der Atmosphäre. Damit sind dann weitere Ereignisse denkbar, wie eine höhere Feuchtigkeit, größere Niederschläge und Stürme.
NTI: Und welche Auswirkungen hat das?
KUNKA: Die sind regional sehr unterschiedlich. Wenn wir Thüringen
nehmen, dann können wir davon ausgehen, daß die Veränderung eher moderat werden. Der Freistaat liegt im Grenzbereich zwischen kontinentalem und maritimen Klima. Schon in Sachsen sind die kontinentalen Einflüsse stärker und die maritimen geringer als hier. Das heißt, dort kann es im Sommer trockener werden als es vorher war und näher zum Atlantik hin, kann es feuchter werden, trotz einer Erwärmung, weil eben auch mehr Wasser verdunstet wird.
NTI: Wir müssen tatsächlich mit einer Erwärmung rechnen?
KUNKA: Ja. Wenn man sich einmal die Temperaturentwicklung der
letzten 1.000 Jahre ansieht, dann zeigt sich, daß es ab etwa 1900 eine deutliche Erwärmung gibt.
NTI: Um 1900 hatte die Industrialisierung in Europa ein hohes Niveau
angekommen. Besteht da ein Zusammenhang?
KUNKA: Fakt ist, daß seit dieser Zeit die anthropogenen, also durch
den Menschen erzeugten Spurenstoffe einschließlich der sogenannten Treibhausgase, die ja für den Treibhauseffekt und die Erwärmung
ursächlich mit verantwortlich sind, in der Atmosphäre deutlich zugenommen
haben. Es ist allerdings schwierig, genau zu sagen, ob es auch ohne diese
Industrialisierung einen natürlichen Temperaturanstieg gegeben
hätte, oder ob dieser Trend allein auf die Industrialisierung zurückzuführen
ist.
ANDING: Die anthropogenen Emissionen spielen aber auf alle Fälle
eine ganz wesentliche Rolle bei der Erwärmung. Allerdings sind nicht alle auf
große Industrieprozesse zurückzuführen. Anthropogene Emissionen gab es
auch schon vor der Industrialisierung, denn fossile Brennstoffe werden ja
seit der Zeit genutzt, seit der Mensch Zugang dazu hatte und gelernt
hat, sein Feuerchen zu machen.
NTI: Welche Emissionsquellen spielen heute die wesentliche Rolle?
ANDING: Zu den Emissionsquellen, gemeint sind die verursachenden
Emittenten, gehören neben der Industrie der Verkehr, sowohl auf der Straße, als auch außerhalb der Straße (Schiene, Luft und Off-road Flächenbewirtschaftung, Freizeit), die privaten Haushalte und die Energiewirtschaft. Wir müssen uns einfach vor Augen halten, daß die
Energiegewinnung in Deutschland, wie in vielen anderen
Industrienationen im wesentlichen auf fossilen Energieträgern beruht.
NTI: Sie haben die privaten Haushalte angesprochen. Wie hoch ist
denn deren Anteil an der gesamten CO2-Emission?
ANDING: Ein durchschnittlicher Drei-Personen-Haushalt verursacht
jährlich ca. 32,1 Tonnen CO2 . In Deutschland wurden 1995 etwa 900 Millionen Tonnen emittiert, in Thüringen ca. 20 Millionen Tonnen.
Minderungen sind seit dem im Bereich der Industrie und der
Energiewirtschaft zu verzeichnen. Die privaten Haushalte weisen dagegen eine Steigerung um 6 Prozent und der Verkehr sogar um 11,1 Prozent auf.
NTI: Wer ist denn in Thüringen nun der Hauptverursacher von
CO2-Emissionen?
ANDING: Wir müssen erst einmal festhalten, daß 92 bis 93 Prozent der
CO2-Emissionen energiebedingt sind. In der Energiebilanz Thüringens
geht der Verkehr mit ca. einem Drittel, also über 30 Prozent ein. Das ist
sehr viel im Vergleich mit anderen Bundesländern, die so bei 20 Prozent
liegen.
NTI: Wieso liegen wir da in Thüringen so hoch?
ANDING: Weil wir keine so große Industrie haben, so daß der Verkehr
in der Relation als Faktor dominiert. Dann folgt nach den Haushalten die
Land- und Forstwirtschaft. In Rechnung gestellt werden muß auch, daß Thüringen einTransitbundesland mit hohen Verkehrsdichte ist.
NTI: Und wie sieht die Entwicklung in Zukunft aus?
ANDING: Gegenwärtig sind wir dabei eine Prognose für das Jahr 2010
zu erstellen. Da liegen die Daten aber noch nicht vor. Erkennen läßt
sich aber jetzt schon, daß es keine großen Veränderungen geben wird.
NTI: Kommen wir noch einmal auf den Klimawandel zu sprechen. Was
erwartet uns in Thüringen in der Zukunft?
KUNKA: Das Klimaforum im letzten Jahr hat den Startschuß dafür
gegeben, auch für Thüringen Szenarien zu erstellen. Dazu laufen gegenwärtig eine Reihe von Untersuchungen über die TLUG. Es zeichnet
sich dabei ab, daß wir zukünftig in der Vegetationsperiode eher trockene
Witterung bekommen werden. Das Jahr 2002 darf uns nicht glauben
machen, daß jedes Jahr wieder so feucht werden wird. Die Sonnenscheinstunden werden im Sommer sicherlich auch etwas zunehmen.
NTI: Was bedeutet es für Thüringen, wenn sich die Durchschnittstemperatur um 2 Grad erhöht, wie das im Mittel prognostiziert wird?
KUNKA: An sich ist eine langfristige Erhöhung der Durchschnittstemperatur um 2 Grad nicht problematisch. Es müssen sich die verschiedenen Handlungspartner nur auf diesen Klimawechsel einstellen.
NTI: Was heißt Handlungspartner?
KUNKA: Das sind die Kommunen, die Industrie, die Land- und
Forstwirtschaft und die nichtstaatlichen Organisationen, denen wir unsere Ergebnisse zur Verfügung stellen, denn sie sind es, die Handlungskonsequenzen daraus
ableiten müssen. Klima ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. So kann auf die Tourismusverbände die Frage zukommen, was sie mit ihren Wintersportorten anfangen, wenn Wintersport dort nicht mehr in der gehabten Form möglich wäre.
NTI: Sicher muß sich auch die Land- und Forstwirtschaft ernsthaft
Gedanken machen, oder?
KUNKA: Natürlich, auch wenn ich im Moment noch nicht genau sagen
kann, was auf sie tatsächlich zukommt. Es kann sein, daß die Landwirtschaft
mit anderen Fruchtfolgen operieren und Bewässerungssysteme im stärkeren Umfang einsetzen muß. Aber ich denke nicht, daß wir im Hinblick auf Stürme in Zukunft mit nordamerikanischen Verhältnissen rechnen müssen.
NTI: Wie meinen Sie das?
KUNKA: Europa ist geographisch anders gegliedert. Es gibt
eigentlich nur ein Gebirge, das in Nord-Süd-Richtung steht, das ist der
Schwarzwald. Alle anderen Gebirge stehen mehr oder weniger in Ost-West-Richtung.
NTI: Und was heißt das?
KUNKA: Daß der Ausgleich zwischen kalten und warmen Luftmassen über
Süd- und Nordeuropa immer etwas gebremst wird. Wir werden hier in Thüringen nicht mit Tornados rechnen müssen. Kleinere Wirbelstürme, wie Windhosen allerdings können schon mal auftreten. Eine Erwärmung ist immer ein größeres Energiepotential und diese Energie reagiert sich eben auch in einer Zunahme von Winden und ihrer Geschwindigkeit ab. Das kann auch bedeuten, daß hier größere Hagelkörner bei starken Niederschlagsereignissen auftreten, die zu größeren Schäden führen.
NTI: Heißt das auch, daß bestimmte Parasiten, wie wir sie aus
subtropischen Bereichen kennen, hier einwandern werden?
KUNKA: Um diese Frage zu beantworten, kämen wir sehr weit in die
Spekulation hinein und dies ist auch nicht unser Arbeitsfeld. Wir wollen zunächst einmal gesicherte analytische Daten erarbeiten, die wir
dann anderen vorlegen können, die sich mit diesen Fragen zu beschäftigen haben. Allerdings sollte man das nicht vollkommen ausschließen. Es wird hier aber kein Klima entstehen, daß es nicht an einem anderen Ort bereits jetzt gibt.
NTI: Und wo müssen wir da hinblicken, wenn wir das künftige Klima in
Thüringen ins Auge fassen?
KUNKA: Na schon in Richtung Südeuropa und Mittelmeerländer, also in
Regionen, die etwa 10 Breitengrade weiter südlich liegen. Aber, wie gesagt, das ist im Moment noch Spekulation.
Das Gespräch führte Dr. Michael Schäf für die Neue Thüringer Illustrierte
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