Ausstellung:
Konrad Siegismund Preitz (1895
- 1979)
Biographische Recherchen
Konrad Siegismund Preitz wurde am 17. Februar 1895 als neuntes und jüngstes
Kind des herzoglichen Musikdirektors Franz Preitz und der Opernsängerin Margarethe
Preitz, geb. Schulze in Zerbst geboren. Die Eltern förderten zielgerichtet
die musische Ausbildung ihrer Kinder, die alle mindestens ein Instrument spielen
lernten. Konrad nahm Klavier- und Gitarrenunterricht. Ab 1901 besuchte er die
Knabenschule und dann das Humanistische Gymnasium "Francisceum" in
Zerbst. Nach dem erfolgreichen Abschluß ging er auf die Kadettenschule und
wurde zum Kriegsdienst in die kaiserlich-deutsche Armee eingezogen.
Nach dem Ende des I. Weltkrieges, den er unverletzt überstand, begann er
1921 ein Studium im Fachbereich Maschinenbau am Polytechnikum in Köthen.
Vor diesem Studiums absolvierte er ein neunmonatiges Praktikum in den Junkers
Flugzeugwerken in Dessau, die ihm eine gute Beurteilung ausstellten. Entgegen
bisheriger Annahmen und Veröffentlichungen schloß er das Studium allerdings
nicht ab, sondern wurde laut Matrikelunterlagen zum 31.12. 1923 "gestrichen",
weil er seine Studiengebühren nicht bezahlt hatte. Es finden sich in den
Unterlagen auch keine Eintragung über abgelegte Prüfungen. Aufällig
ist nur, daß drei weitere Studenten des Preitzchen Studienjahres ebenfalls
zum 31.12.1923 das Polytechnikum in unbekannter Richtung verließen, ein
Vorgang, der in dieser Form äußerst ungewöhnlich ist. Diese "Flüchtlinge"
hatten allerdings ihr Praktikum nicht bei Junkers absolviert.
Die Gründe für den Abbruch des Studiums durch Preitz können heute
nicht mehr genau festgestellt werden, allerdings kann man vermuten, daß
sie im engen Zusammenhang mit dem Praktikum stehen. Vielleicht war Preitz die
Theorie einfach zu trocken, oder er hatte seine fianziellen Mittel, die ihm zur
Verfügung standen anderweitig verbraucht und deshalb das Studium geschmissen.
Es ist nicht unwahrscheinlich, daß er nach diesem Abbruch wieder zu Junkers
gegangen ist. Welche Rolle dabei der Bruder seines Vaters, der in Dessau niedergelassene
Arzt Dr. med Preitz, der nach dem Tod des Vaters auf den jungen Konrad wohl ein
Auge zu werfen hatte, wie die Matrikelunterlagen verraten ist nicht verbrieft.
Durch eine Zeitungsnotiz ist allerdings belegt ist, daß Preitz spätestens
ab 1926 bei Junkers in Dessau gearbeitet hat. In der Zerbster Zeitung erschien
am 6. Mai 1926 folgende Notiz: "Ein Gruß aus der Luft. Gestern nachmittag
überquerte ein Flugzeug unsere Stadt. Es wurde von dem Begleiter eine an
Tuch gebundene Postkarte heruntergeworfen, auf der folgendes zu lesen stand: "Meiner
lieben Vaterstadt mit den Bekannten, die sich darüber freuen, viele freie
frohe Grüße aus der Luft, die Gott sei Dank keine hemmenden Balken
hat. Konrad Preitz, Dessau. Junkersflugzeugwerke A.G. 5.V.26." Die Rückseite
der Karte zeigt die Photographie eines Junkers-Ganzmetallflugzeuges. Die Karte
wurde gefunden und der Zerbster Zeitung zugestellt. Der freundliche Pilot hat
auch in der Luft seine Heimatstadt nicht vergessen.
Einen Tag später meldete sich Preitz selbst mit einem Artikel über seine
Eindrücke beim Flug über seine Geburtsstadt in der Zerbster Zeitung
zu Wort, dessen maschinenschriftliches Manuskript erhalten blieb. "Da liegt
Zerbst greifbar nahe unter mir, daß ich jedes Haus fassen zu können
glaube. Nur 200 Meter hoch, und doch wie winzig schaut sich das Städtchen
an. Da liegt der Markt unter mir wie ein gleichschenkliges Dreieck, dessen Seite
C das Rathaus ist. Trotzig schaut mir die Nikolaikirche zu. Grüß Gott
ruf ich ihr zu. Eine scharfe Linkskurve reißt die Metallmaschine herum,
so daß vor mir das Francisceum liegt. Gottchen, wie niedlich schaut das
alles aus. Und da links das Botanische Gärtchen, wo wir immer Blümchen
pflückten, denen wir die Staubgefäße ausreißen mußten;
und dort der Hof, auf dem wir im Turnen 10 Minuten lang Dauerlauf machten, immer
im Kreis herum, immer - rund - herum, die Ellenbogen fest in die Seiten gepreßt!
Und da - husch, das Flugzeug macht einen Sprung über eine Böe - schaut
der Karzer herauf. Die Pensionäre von Herrn Inspektor Bräuner haben
dann immer seine schönen Äpfel durchs Fenster geworfen! Böen auf
Böen fegen plötzlich von unten herauf, daß die Querruder zum Parlieren
der Windstöße voll zu tun haben. Ob das die die Vokabeln sind, die
ich damals nicht behalten konnte, und die mich wieder anspringen wie unversöhnliche
Wölfe? Ach nein, vielleicht hat das Francisceum sich gefreut und gelacht,
nach oben gezeigt und gesagt: Schau, da oben ist auch ein Franciceer, der es sich
nicht nehmen läßt, mal wieder herzukommen und die lieben alten Stätten
zu besuchen. Und diese Freude wird sich als Böen dem Flugzeug mitgeteilt
haben."
Dieser Artikel war keine Eintagsfliege. Preitz hat nicht nur gemalt, sondern immer
wieder auch geschrieben, Gedichte, Essays und Zeitungsartikel, so u.a. für
den "Anhalter Anzeiger" und die Fachzeitung "Der Segelflieger".
Und auch hier ist er Techniker und Künstler zugleich, versucht das Erlebnis
Technik mit Worten gewissermaßen aufs Papier zu malen. So auch, als er wohl
im Auftrag der Junkerswerke im September 1926 den Versuch des Franzosen Rene Fonck
den Atlantik von New York nach Paris mit einer Sikorsky S 35 in Nonstopflug zu
überqueren beobachtete und die Anspannung der letzten Minuten vor dem Start
und das darauf folgende Desaster mit Worten einfing.
Ein Augenzeugenbericht, der noch heute die Dramatik der Ereignisse vor nunmehr
77 Jahren fast hautnah vermitteln kann. "Taghell ist die Flugzeughalle erleuchtet,
die das Riesenflugzeug S 35 beherbergt. Mechaniker Ingenieure, Arbeiter wimmeln
wie Ameisen um die neue Maschine, um sie startklar zu machen für ihren Ozeanflug.
Etwas abseits davon steht Sikorsky (Igor Sikorsky, einer der bedeutendsten Flugzeugkonstrukteure
seiner Zeit, der als erster, noch vor dem I. Weltkrieg ein Großflugzeug
baute und später als "Mister Helikopter" in die Geschichte der
Luftfahrt einging, weil er die ersten wirklich flugtauglichen Hubschrauber konstruierte
und baute, d.A.), der Erfinder des Typs. ...Das dort, dieser Kollos sollte die
Krone sein, sollte den ersehnten Gedanken der Luftverbindung zwischen New-York
und Paris verwirklichen. Neben ihm - heftig gestikulierend steht Fonck, der ausersehen
ist, das Steuer des Flugzeuges zu führen. ... Überall zuckt die Spannung,
aus jedem Gesicht die Unruhe: ist alles in Ordnung? Wird alles gut gehen? Wird
die Flugtechnik den kommenden Tag als Ereignis ankreuzen? ... Und langsam rollt
der Kollos aus der Halle. Plötzlich ein Rufen und Brüllen - was ist?
Menschen laufen - Was war? Die Maschine bewegt sich weiter zur Startbahn. Nur
am Leitwerk ist die Höhenflosse und ein Seitenruder etwas beschädigt,
meldet ein Werkmeister. Die Maschine steht am Starplatz, hell von Scheinwerfern
erleuchtet. Ingenieure und Arbeiter arbeiten fieberhaft, die beschädigten
Stellen zu reparieren. Sikorsky und Fonck gehen aus dem Strahlenbündel in
die Nacht, die haarscharf an die Lichtkegel grenzt. Beide hängen ihren Gedanken
nach... Inzwischen ist auch der Schaden am Leitwerk behoben. Die Sterne beginnen
zu verblassen, als Fonck mit zitternden Händen in den Führersitz klettert
zur letzten Motorprobe. Neben ihm sitzt sein Mechaniker Islamoff...
Alles klar, ruft ein Megaphon dem anbrechenden Morgen entgegen. Die Insassen nehmen
ihre Plätze im Flugzeug ein, die Menschen treten bis auf wenige zurück,
die Bremsklötze vor den Rädern des Fahrgestells werden entfernt. Dann
noch ein letzter Händedruck, ein letztes Winken und wütend brüllen
die Motoren auf. Sikorsky steht allein. Mit zusammengeballten Fäusten steht
er da und verfolgt mit weitaufgerissenen Augen den Start seines Flugzeuges. ...Die
Maschine hat ihre Geschwindigkeit erreicht, mit der sie vom Boden abkommen muß.
Sikorsky starrt auf das Leitwerk, das noch immer auf dem Rasen schleift. Wenn
das vorhin beschädigte Höhenruder nicht in Ordnung war? Mit rasender
Geschwindigkeit saust die Maschine über den Flugplatz den Dünen zu.
Sikorsky steht mit blutender Oberlippe. Da - ein Schrei aus hunderten von Kehlen,
das rechte Rad des Fahrgestells ist weggebrochen und rollt zur Seite. In dem Augenblick
hat das Flugzeug die Dünen erreicht, es rutscht - überschlägt sich
und verschwindet in einem Dünental. Kurz darauf züngeln Riesenflammen
an der Stelle empor, an der das Flugzeug verschwunden ist. Klar und golden steigt
die Sonne auf und blickt mitleidig auf schwelende Trümmer. Ikarusschicksal."
Rene Fonck überlebte diesen Startunfall, zwei seiner Besatzungsmitglieder
aber bezahlten diesen mißglückten Atlantikflug mit ihrem Leben. Ob
und wo dieser Artikel, der nur noch im Manuskript vorliegt erschienen ist, kann
nicht mehr gesagt werden. Das die Junkerswerke einen fähigen Ingenieur nach
New York schickten, wenn es denn so gewesen ist, kam nicht von ungefähr.
Die Dessauer Flugzeugbauer verfolgten die Jagd nach Rekordflügen über
den Atlantik sehr genau, denn sie wollten dabei ordentlich mitmischen. Und das
gelang ihnen auch in eindrucksvoller Weise mit der in Dessau entwickelten W 33.
Nachdem Charles Lindbergh am 21. Mai 1927 als erster den Alleinflug von New York
nach Paris ohne Zwischenstopp geschafft hatte, rückte eine noch größere
Herausforderung in das Blickfeld der Fliegerpioniere, der Nonstoppflug von Europa
nach Amerika. Die Bewältigung der Strecke über den Atlantik in umgekehrter
Richtung war aufgrund der vorherrschenden Westwinde wesentlich komplizierter.
Bevor die W 33 über den Großen Teich flog wurde die Leistungsfähigkeit
dieser Maschine unter Leitung des Piloten der Junkers Luftverkehrs AG Hermann
Köhl in einem Dauerflug getestet, bei dem mit 52,2 Stunden gleich der bis
dahin bestehende Weltrekord gebrochen wurde. An Bord waren dabei neben Köhl
und Ehrenfried Freiherr von Hünefeld mehrere Werkspiloten. War Preitz einer
von ihnen? War er an der Konstruktion der W 33 beteiligt? Möglich ist das,
denn so ganz ohne Absicht wird wohl Preitz 1926 nicht nach New York geschickt
worden sein. Nach ersten Fehlschlägen beim Versuch, die Strecke über
den Atlantik zu bewältigen kam dann am 12. April 1928 der große Tag.
Um 5.38 Uhr hob die W 33 "Bremen" vom Dubliner Flugplatz ab und erreichte
nach 36,5 Stunden die Insel Greenly Island, vor der Küste Labradors. Zum
ersten Mal war damit der Atlantik von Ost nach West überquert worden.
Ein anderer Artikel von Preitz, der 1926 im "Anhalter Anzeuger" erschien
und dem Gedächtnis an Otto Lilienthal gewidmet war führt zu einer weiteren
Persönlichkeit der europäischen Technik- und Kunstgeschichte, zu Gustav
Lilienthal (1849 - 1933) der immer irgendwie im Schatten seines berühmteren
Bruders Otto stand. Preitz traf mit ihm in der Flughalle von Berlin-Tempelhof
zusammen, wo der greise Gustav Lilienthal an seinem Flügelschlagflugzeug
herumbastelte, stur der alten Idee folgend, die er mit seinem Bruder in ihrer
Jugend ausgetüftelt hatte, als sie daran gingen, dem Menschen Flügel
zu verleihen. "Im Tempelhofer Flughafen, dem größten und modernsten
Flugplatz Europas", so schrieb Preitz in diesem Artikel, "arbeitet
in einer abgeschlossenen Halle ein weißhaariger 77 Jahre alter Mann an einer
Flugmaschine. Es ist der Architekt Gustav Lilienthal, der Bruder Otto Lilienthals,
der hier seine eigenen Wege geht und den Flug mit Flügelschlag zu erreichen
sucht."
Doch Gustav Lilienthal war weit mehr, als nur Flugzeugbastler und Bruder des Otto.
Er konstruierte Villen und Fertigteilhäuser, gründete das "Institut
für Kunstgewerbe und Kunststickerei", erarbeitete eine Reihe von sozialen
Reformvorschlägen, beteiligte sich an schulpädagogischen Modellen und
Projekten und erfand die "Anker-Bausteine", die unter dem Management
des Rudolstädter Friedrich Adolf Richter, der diese Idee kaufte zum wohl
weltweit erfolgreichsten Spielzeug wurden und heute Kultstatus besitzen. Und auch
der Stabilbaukasten geht auf eine Erfindung Gustav Lilienthals zurück, dem
auf seinem Namen patentierten "Modellbaukasten", eine Miniaturversion
des von ihm entwickelten Verfahrens für transportable Häuser aus künstlichen
Steinplatten. Die "Ankerbausteine" aber sind so etwas, wie die steingewordenen
Lebensphilosophie Gustav Lilienthals, Vereinigung von Kunstgewerbe (im damaligen
Sinne des Begriffs, als Antwort auf den aufgebrochenen Konflikt von Kunsthandwerk
und Serienproduktion), zweckmäßiger und zugleich ästhetischer
Architektur und schulpädagogischer Reformen als Bestandteil der sozialen
Reformierung der Gesellschaft im Geiste der sogenannten "Freiländer".
Dieser Mann, den Preitz auf dem Flugplatz Berlin-Tempelhof kennenlernte muß
ihn sehr beeindruckt haben, denn er schreibt über ihre wohl erste Begegnung
im Jahr 1926 die kleine "Novelle Sturm", ein geistreiches Essay in
dem Preitz im Dialog mit dem "Meister" - Gustav Lilienthal - über
den Sinn des technischen Fortschritts und die Profession des Ingenieurs philosophiert.
Gedanken von großer Frische und Aktualität. So hält er u.a. dem
"Meister" der am Flügelschlagflugzeug festhalten will, weil er
nur so das Flugprinzip der Natur gewahrt sieht und deshalb das Propeller-Tragflächenprinzip
kategorisch ablehnt und als Vergeudung bezeichnet entgegen: "Meister, auf
dem Weg zur Verwirklichung des Menschenfluges hielten und halten Sie sich an die
Natur. Ist der Mensch ein so guter Konstrukteur, daß er es der Natur nachmachen
zu können glaubt? Die Vorbilder liefert ihm die Natur, aber der Weg zu ihnen
ist verschieden von ihr. Kann der menschliche Geist Glieder von solcher Vollendung
konstruieren und bauen wie die Natur? Wir Ingenieure rechnen nach Festigkeit unter
gleichzeitiger, größtmöglicher Materialsparsamkeit. Können
wir ein Bein oder Gliedmaßen zur Fortbewegung nachmachen? Der menschliche
Geist hat sich als Ersatz das Rad ersonnen. Wo macht ihm die Natur das Rad zur
Fortbewegung vor? Können wir den Flügel eines Vogels nachbauen? Nein,
wir haben ihn studiert und von ihm gelernt. Dann sind die Techniker hingegangen
und haben Propeller konstruiert, die im Verein mit der Tragfläche den für
menschlichen Geist zu feinen Flügeln der Natur ersetzen." Und Preitz
läßt seinen Ingenieur fortfahren, Sätze die auch heute noch als
eine Aufforderung an den Ingenieurgeist stehen können: "Meister, Ihr
sagt, daß unsere Kraftmaschinen, denen wir immer mehr Kräfte abzugewinnen
suchen, Vergeudung sind. Wieviele Kräfte umgeben uns in der Natur, die wir
noch nicht kennen und uns deshalb nicht diensbar machen können; wie unendlich
klein ist der Prozentsatz der Kraft, die wir erst ausnutzen können zu den
Riesenmengen, welche uns die Natur feilbietet. Ist nicht das die Verschwendung,
die dargebotenen Kräfte nicht anzunehmen und nutzbar zu machen?"
Pioniergeist des Ingenieurs, dessen Mangel gerade heute oft genug beklagt wird.
Preitz ist modern, sehr modern. Bei diesem ersten Gespräch zwischen beiden
dürfte es nicht geblieben sein und sie werden sich in weiteren Treffen auch
nicht nur über die Flugtechnik und ihre verschiedenen Ansätze unterhalten
haben. Inwieweit Gustav Lilienthals Anschauungen den Werdegang des jungen Ingenieurs
und Malers Preitz und dessen Ansichten mitgeprägt haben, das kann heute nicht
mehr festgestellt werden.
interessant ist daß er die besagte "Novelle" unter dem Pseudonym
Konrad Peer schriebt, hier bereits ein Element seines späteren Künstlernamens
Peer Harz auftaucht.
Die Zeitungsnotiz, die Konrad Preitz 1926 als Werksangehöriger bei Junkers
in Dessau zweieinhalb Jahre nach seinem überraschenden Ausscheiden aus dem
Polytechnikum in Köthen nachweist läßt vermuten, daß er
wahrscheinlich aus seiner Praktikumszeit bei der Werksleitung noch in guter Erinnerung
war und wieder eingestellt wurde. Eventuell hat da auch sein Onkel die Hand im
Spiel gehabt. Auf einen zertifizierten Abschluß des Studiums legte man bei
Junkers zu dieser Zeit offensichtlich weniger wert, wichtiger war da wohl sein
ingenieurtechnisches Vermögen und sein fliegerisches Können. Bekannt
ist, daß Junkers befähigte Mitarbeiter selbst zeilgerichtet schulte
und deshalb eine Reihe von Weiterbildungsmaßnahmen im Unternehmen etabliert
hatte.
Der mit dem Abbruch des Studiums verbundene mögliche Wechsel von Preitz zu
Junkers erscheint im historischen Kontext durchaus glaubhaft. Die Junkerswerke
dürften gerade 1923/24 dringend ingenieurtechnische begabte und fliegerisch
ausgebildete Fachkräfte gebraucht haben, denn 1923 errichte Junkers in Fili
bei Moskau einen Zweigbetrieb. Diese Gründung geht auf den 1922 zwischen
den Junkerswerken und der Sondergruppe Reichswehr/Reichswirtschaftsministerium
geschlossenen Geheimvertrag zum Bau von Flugzeugen außerhalb des Wirkungsbereiches
des Verseiller-Vertrages zurück. In Fili bei Moskau wurden ab 1923 Jagdflugzeuge
getestet und für die Rote Armee gebaut. Junkers ist zu dieser Zeit der führende
Flugzeughersteller in Deutschland. Bereits am 5. Mai 1919 hatte Junkers die erste
offizielle deutsche Luftverkehrslinie für Flugpost auf der Strecke Berlin
- Dessau - Weimar eröffnet. Am 1. Oktober 1920 nimmt der Ingenieur Ernst
Zindel seine Tätigkeit bei Junkers auf. Unter seiner Leitung kommt es zu
einem wahrhaften Boom in Sachen Neuentwicklungen, die dem deutschen Flugwesen
die entscheidenden Impulse verleihen. Junkers dominiert das deutsche Luftfahrtgeschehen
in den folgenden Jahren, sowohl hinsichtlich der Flugleistungen, als auch der
technischen Entwicklung. 1922 legen die Junkersflugzeuge 536.355 Flugkilometer
zurück, befördern 11.005 Passagiere und transportieren 16.180 Kilogramm
Fracht.
Es kann durchaus davon ausgegangen werden, daß Konrad Preitz bereits zum
1. Januar 1924 seine Tätigkeit bei Junkers aufgenommen hat und dort unter
Leitung Zindels als Flugzeugingenieur und Testpilot gearbeitet hat. Ob er eine
Zeitlang auch im Werk Fili bei Moskau tätig war bleibt vorerst spekulativ.
Sein fliegerisches Vermögen hatte sich Preitz schon früher erworben.
Bereits als Kind soll er mit dem deutschen Fliegerpionier Hans Grade (1870 bis
1946) bei seinen ersten Flugversuchen zusammengetroffen sein. Grade hatte am 28.
Oktober 1908 als erster deutscher Motorflieger auf dem sogenannten Krakauer Anger
in Magdeburg mit einem seinem selbstgebauten Dreidecker vom Boden abgehoben und
war in einer Höhe von 8 Metern 60 Meter weit geflogen. Vielleicht hat sich
der junge Konrad dort vom Flugfieber infizieren lassen, jedenfalls wurde Preitz
ein begeisterter Flieger. Hat Preitz bei Grade das Fliegen gelernt? Das kann durchaus
angenommen werden, denn Flugschulen gab es in dieser Zeit in Deutschland nicht
all zu viele.
Interessant ist auch der Inhalt der abgeworfenen Grußkarte. Die Textzeile
"freie frohe Grüße aus der Luft, die Gott sei Dank keine hemmenden
Balken hat" läßt darauf schließen, daß das Fliegen
ihm ein Stück Freiheit bedeutete, er sich in der Luft von allen "irdischen
Zwängen" befreit fühlte und so zu sich selbst kommen konnte. Ein
ähnliches Gefühl vermittelte ihm wohl auch das Malen.
In seinen Bildern konnte er sich ausleben, ohne irgendwelchen Diktaten zu folgen
oder sich einschränken zu müssen und selbst in der Maltechnik orientierte
er sich weniger an heiligen Kühen, sondern eher am vorhandenen Material und
dem, was er malerisch zum Ausdruck bringen wollte. Auffällig oft verwendete
er dabei Mischtechniken. Das Malen bedeutete ihm erster Linie Selbstverwirklichung
und weniger Profession. Die Tatsache, daß er nur sehr sporadisch Bilder
verkauft hat und sich auch mit dem "zur Schau stellen" seiner Bilder
sehr zurückhaltend gab - belegt sind zwei Ausstellungen in der "kleinen
Galerie" der Roseburg - unterstreicht diesen Wesenszug seiner Persönlichkeit.
"Es war nie sein Ziel", so erinnert sich seine Tochter Carla, "damit
Geld zu verdienen. Die Werke waren für ihn von ganz eigener Bedeutung, andere
konnten sie ansehen, aber seiner Meinung nach nicht verstehen, warum sie da verkaufen."
Allerdings zwang ihn vor allem die Not unmittelbar nach Kriegsende doch immer
mal wieder, Bilder zu verkaufen, um die Familie finanziell über Wasser zu
halten.
Auch bei seinen Aufenthalten in der damaligen Bundesrepublik Deutschland soll
er in den 70er Jahren mehrere Bilder an Galerien in Frankfurt am Main verkauft
haben, um sich so seinen Aufenthalt finanzieren zu können und nicht der Tochter
oder anderen Menschen auf der Tasche liegen zu müssen. Wo diese Bilder abgeblieben
sind ist heute nicht mehr feststellbar. Und er hat auch hin und wieder Bilder
verschenkt, vor allem dann, wenn ein Betrachter spontan von diesen begeistert
war. Diese Begeisterung sei ihm die größte und ehrlichste Anerkennung
gewesen, sagt seine Tochter Carla.
Wann er seine Leidenschaft für die bildende Kunst für sich entdeckte
ist nicht verbrieft. Nach Angaben seiner Tochter Carla soll er bereits in seinen
Jugendjahren angefangen haben zu malen ohne sich dabei durch diese Leidenschaft
in der anderen, die der Faszination Technik galt einschränken zu lassen.
So wurde Konrad Preitz nicht nur begeisterter Flieger, sondern auch leidenschaftlicher
Motoradfahrer und hat wohl auch auch an einigen Rennen teilgenommen. Die Bekanntschaft
mit Hans Grade könnte auch hier der Auslöser gewesen sein, denn der
deutsche Flugpionier war ebenfalls ein ambitionierter Motoradfahrer und hatte
in seiner Heimatstadt Köslin nach dem Abschluß seines Studiums an der
Technischen Hochschule in Berlin Charlottenburg 1904 eine Werkstatt für Motoren
und Motoradherstellung eröffnet, bevor er dann 1907 nach Magdeburg kam. 1909
siedelte er dann nach Borkheide bei Berlin um und gründete dort eine Flugschule.
Auch Preitz kommt als Flieger nach Berlin und wird Mitglied des Flugsportvereins
"Adler." Ein Bild zeigt ihn auf dem Berliner Flugplatz im Frühjahr
1933.
Welche Rolle in der Biographie von Konrad Preitz eine Balalaika spielt, die sich
noch heute im Besitz seiner Tochter Waltraud befindet ist noch nicht klar. Auf
dieser Balalaika findet sich folgende Widmung: "Frau Oberst von Schwetzoff,
Zerbst 18. IX. 1919". Bisher ist nicht geklärt, wer diese Frau Oberst
war und ob die Balalaika von ihr direkt an Konrad Preitz ging. Ob und welche verwandtschaftliche
Verbindung zwischen dieser Frau Oberst von Schwetzoff (Schwetzow) zu dem berühmten
sowjetischen Flugzeugmotorenkonstrukteur Arkadi D. Schwetzoff besteht konnte bisher
ebenfalls noch nicht geklärt werden. Solle da ein Zusammenhang bestehen,
dann könnte das durchaus Einfluß auf die Entscheidung von Preitz, das
Polytechnikum in Köthen ohne Abschluß zu verlassen und im Zusammenhang
mit der Werksgründung in Fili bei Moskau zu Junkers zu gehen gehabt haben.
Recherchen im Stadtarchiv Zerbst brachten bisher keine Ergebnisse, denn die dazu
notwendigen Unterlegen, wie Einwohnerregister etc. sind bei dem anglo-amerikanischen
Bombenangriffen 1945, die 80 Prozent der historischen Innenstadt in Schutt und
Asche legten vernichtet worden. Bei der Familie von Schwetzoff handelt es sich
offensichtlich um russischen Militär- oder Beamtenadel handeln. Eine Verbindung
zwischen Zerbst und Rußland bestand schon lang, denn 1744 heiratete Sophie
Friederike Auguste von Anhalt Zerbst den russischen Thronfolger Peter III. Als
Katharina II. bestieg sie 1762 selbst den Thron und regierte als Zarin bis zu
ihrem Tod 1796. Ihre Enkelin, die russische Großfürstin Maria Pawlowna
heiratet ihrerseits den Erbherzog Carl Friedrich und kommt so 1804 nach Weimar,
von wo aus sie viele Jahre, sich dem gesellschaftlichen Fortschritt verpflichtet
fühlend äußerst segensreich wirkt.
Es kann auch sein, daß diese Balalaika erst, so wie es seine Kinder vermuten
im Zusammenhang mit dem Bau der Rappbodetalsperre in den fünfziger Jahren
als Abschiedsgeschenk eines russischen Offiziers zu Preitz gekommen ist. Der Bau
der Rappbodetalsperre stand unter Leitung und Kontrolle der sowjetischen Militäradministration.
Die Widmung bleibt dann aber unerklärlich, die Balalaika müßt
von seiner Geburtsstadt Zerbst 1919 über einen unbekannten Weg nach Rußland
gekommen sein und von dort wiederum auf unbekannten Weg zurück in den Harz.
Überhaupt lassen sich die frühen Jahre von Preitz nur schwer rekonstruieren,
da er erst als 38jähriger Mann seine spätere Frau, die 20 Jahre jüngere
Charlotte Otto kennenlernte. 1935 heirateten Charlotte und Konrad und gründeten
in Dessau eine Familie. Am 2. Mai 1939 wurde die erste Tochter Dorothea geboren,
und am 5. April 1941 die zweite Tochter Waltraud. Bereits bei den ersten Bombenangriffen
auf Dessau im Januar 1944 wurde die Familie ausgebombt und nach Gernrode im Harz
evakuiert. Seine Tätigkeit als Flugzeugingenieur bei den seit 1933 als Herman
Göhring Werken zwangsverstaatlichten Junkerswerken ersparten Preitz den Kriegsdienst
im großen Schlachten an den Fronten des II.Weltkrieges.
Zunächst mußte er den langen Weg zwischen Dessau und Gernrode (95 Kilometer)
zu Fuß zurücklegen, um wenigstens einmal im Monat seine Familie sehen
zu können. Später baute er sich aus Einzelteilen ein Fahrrad zusammen.
So konnte er nun alle 14 Tage zu seiner Familie nach Gernrode aufbrechen. Am 19.
April 1944 wurde dann der Sohn Johannes geboren.
Nach dem Ende des II. Weltkrieges gerät Konrad Preitz als Flugzeugingenieur
bei den Hermann Göhring Werken unter den Druck der Besatzungsmächte
und kommt in die Gefahr als Experte zwangsweise evakuiert zu werden. Deshalb soll
er sich monatelang im Wald versteckt haben, um einem möglichen Zugriff der
Allierten zu entgehen, der eine lange Trennung von der Familie, die in seinem
Leben immer eine zentrale Rolle spielte bedeutet hätte. Unmittelbar nach
Kriegsende begann Preitz auch wieder intensiv zu malen. In den folgenden Jahren
arbeitete er auch stundenweise immer wieder als Kunsterzieher an den Gymnasien
in Quedlinburg und Thale und als Dozent für Bildende Kunst an der Kreisvolkshochschule.
Mit viel Gespür weckte und förderte er die künstlerischen Fähigkeiten
seiner Schüler. "Mein Sonntag war Donnerstag", sagt Bärbel
Schwanitz aus Thale, eine ehemalige Schülerin von ihm, die später Kunsterzieherin
wurde. "Donnerstag, da hatten wir Unterricht bei Konrad Preitz."
In dieser Lebensphase malte er selbst fast wie ein Besessener und gelangte zu
großer künstlerischer Ausdruckskraft. Auf ausgedehnten Wanderungen
durch den Harz entstanden eine Vielzahl von Skizzen, Aquarellen und Ölgemälde.
Diese Landschaft faszinierte ihn immer wieder und wohl, um seinen Gefühlen
auch im Namen Ausdruck zu verleihen, legte er sich bereits in den vierziger Jahren
den Künstlernamen Peer Harz zu. Die mangelnde Verfügbarkeit von Farben
und Leinwänden in den 40er und 50er Jahren stellte Preitz vor keine all zu
großen Probleme, dazu war er viel zu sehr eben auch Ingenieur. Im Gegenteil,
er empfand sie als Herausforderung zur Entwicklung neuer Techniken. So malte er
unter anderem mit Kaffeesatz, Milch und Tinte und benutzte auch alte Tapeten als
Leinwand- und Zeichenpapierersatz. In dieser Zeit entstehen viele Bilder in Mischtechniken.
Wie erfindungsreich er war, zeigt auch eine Episode aus den 70er Jahren, die Kunsterzieherin
Sabine Schönbeck zu berichten weiß. Sie war 1969 nach dem Abschluß
ihres Studiums in Erfurt nach Gernrode als junge Lehrerin gekommen und lernte
dort Preitz kennen, der sie offensichtlich sofort in sein Herz schloß und
die junge Frau wohl auch verehrte kennen. Mit ihren Schülern besuchte die
Kunsterzieherin öfter das Atelier des Malers. Als Preitz in den 70er Jahren
seine Tochter Dorothea in Kerpen besuchte, berichtete er ihr telefonisch, daß
die Farben im Westen sehr teuer sind und er deshalb angefangen habe, mit Schuhcreme
zu malen. Er empfahl ihr, diese Technik doch auch mit ihren Schülern auszuprobieren
und Ölgemälde mit Schuhcreme anzufertigen, was sie dann auch tat. Anfänglich,
so erinnert sie sich noch heute hätten ihre Schüler mit Skepsis reagiert,
die sich aber schnell in helle Begeisterung wandelte, so daß die Eltern
in Gefahr gerieten, schuhcremlos zu werden.
Die Bilder, die Preitz bei seinen Aufenthalten in der BRD anfertigte, insbesondere
auch die mit Schuhcreme hergestellten Ölgemälde sind verschollen. Eine
Spur, die nach Frankfurt/Main führt hat bisher zu keinem Ergebnis geführt.
Dort soll er sich, immer dann wenn er seine Tochter Dorothea in Kerpen besucht
hat eine befreundeten Familien aufgehalten haben und Bilder, die er in dieser
Zeit malte an eine Galerie verkauft haben. Weder die Familie noch die Galerie
ist heute noch bekannt.
1946 meldete Preitz einen "selbstständigen Betrieb einer Kunst-Malerei"
in Gernrode an und wurde noch im gleichen Jahr von der Kammer der Kunstschaffenden
der Bezirksverwaltung Dessau als "schaffender Künstler" anerkannt.
Später wurde er Mitglied des Verbandes der Bildenden Künstler der DDR.
Das genaue Datum seines Eintrittes ist nicht mehr feststellbar. Die Akademie der
Künste, die das Archiv des Verbandes der Bildenden Künstler der DDR
übernommen hat und verwaltet hat keine entsprechende Eintragung von Preitz
in den Mitgliederlisten gefunden. Allerdings sind die Unterlagen nicht vollständig,
wie die Akademie der Künste mitteilt. "Im wesentlichen ist der Zeitraum
ab Mitte der siebziger Jahre überliefert. Offensichtlich wurde in großzügiger
Auslegung des "Rahmenverzeichnisses für die vereinfachte Kassation typischer
Schriftgutkategorien" der Staatlichen Archivverwaltung der DDR ein großer
Teil der älteren Unterlagen vernichtet. Insbesondere die ersten Jahre sind
anscheinend haupsächlich in speziellen Materialzusammenstellungen, die von
Mitarbeitern des VBK zur Erarbeitung einer Verbandsgeschichte angelegt wurden,
und in den frühen Druckschriften erhalten.
Belegt wird seine Mitgliedschaft zur Zeit allein durch eine Bescheinigung des
Sonderbeauftragten des Baus der Harztalsperren, in der dem Kunstmaler Konrad Preitz
bestätigt wird, daß er "als freischaffender Kunstmaler und Mitglied
des Verbandes Bildender Künstler das Recht hat, die Baustelle Rappbodesperre
zwecks Herstellung künstlerisch geeigneter Motive während der Ausführung
der Bauarbeiten zu betreten."
In diesem Zusammenhang sind mindestens vier Ölbilder ("Auf dem Baugrund",
Arbeiten an der Verschalung", "Rappbodetalsperre im Bau" und
"An der Betonmischmaschine") entstanden, die Preitz offensichtlich
im Auftrag der Betriebsleitung der Rappbodetalsperre gemalt hat. Wo einige Bilder,
die damals entstanden abgeblieben sind, konnte bisher nicht festgestellt werden.
Es gibt einen Hinweis darauf, daß im Wirtschaftsministerium der Russischen
Förderation in Moskau ein Bild von Konrad Preitz hängen soll, das den
Bau der Talsperre darstellt. Auch die Talsperrenverwaltung in Blankenburg weiß
heute nichts mehr von diesen Auftragswerken. Erhalten sind ein Ölgemälde
"Rappbodetalsperre im Bau" und eine Zeichnung "An der Betonmischmaschine",
die durchaus eine Vorarbeit zu dem gleichnamigen Ölgemälde sein kann.
1975 sind diese Bilder noch bekannt gewesen. Sie werden im Zusammenhang mit einer
Preitz-Ausstellung, die der Kulturbund der DDR vom 24. September bis zum 19.Oktober
1975 in der "Kleinen Galerie" des damaligen Kultur- und Erholungszentrum
Roseburg veranstaltet erwähnt.
Diese Bilder sind aber nicht die einzigen, mit denen Preitz sich technischen Motiven
zuwendet. Er malt u.a. Brücken und eine Schiffswerft. Auffällig ist
auch seine Zuwendung zur Architektur als Motiv. So entstehen ganze Zyklen über
Stadtansichten von Gernrode, Quedlinburg und Wernigerode. Eine lithographische
Serie "Das alte Dessau" belegt, daß er auch auf diesem Gebiet
der bildenden Kunst aktiv war. Zur 1000-Jahr-Feier seiner Geburtsstadt Zerbst
im Jahr 1949 malt Bilder für eine aus diesem Anlaß herausgegebene Kunstmappe.
Diese blieb im Stadtarchiv von Zerbst erhalten, wo die Originale dazu sind, konnte
bisher nicht herausgefunden werden.
Am 3. November 1954 wurde dann das "Nesthäkchen" Carla geboren,
der Liebling der Familie. Lange arbeitet Preitz aber nicht allein nur als selbstständiger
Kunstmaler und freier Zeichenlehrer. 1957 bekam er eine Anstellung im VEB Mertik
in Quedlinburg und arbeitete dort bis zu seinem 75. Lebensjahr, zuletzt als Kundendienstingenieur.
Das Malen gab er aber ebensowenig auf, wie seine kunsterzieherische Tätigkeit.
Als Konrad Preitz nach einer Operation im Alter von 84 Jahren am 23. April 1979
verstarb, hinterließ er ein umfangreiches künstlerisches Lebenswerk,
das noch immer nicht erschlossen ist.
Konrad Preitz steht als Ingenieur und Künstler in Person fast symbolhaft
für den Gedanken der Vereinigung und Versöhnung von Kunst und Technik,
der von den Bauhauskünstlern in Weimar und Dessau herausgearbeitet wurde.
Inwieweit Preitz der "Bauhausgedanke" nahe war und ob er in seiner
Tätigkeit bei Junkers Kontakte zum Bauhaus in Dessau gehabt hat, darüber
können noch keine Aussagen getroffen werden. Auch ist noch nicht geklärt
ob und wann er Malstunden bei Paul Klee und Wassily Kandinsky genommen hat, wovon
er wohl seinem Sohn Johannes erzählt hat.
Unwahrscheinlich ist das nicht, denn die Junkerswerke pflegten enge Kontakte zu
den Bauhäusern in Weimar und Dessau. Noch ist diese spannende Biographie
des Konrad Preitz nicht zu Ende geschrieben, liegt noch vieles im Dunkeln der
Geschichte. Aber jetzt schon offenbart sie einen Mann, der sich nicht in das Korsett
schmalspuriger und deshalb schmalbrüstiger Bildungsbürgerlichkeit pressen
lassen wollte, der jenen Typ des Erfinders und Konstrukteurs verkörpert,
der dem deutschen Ingenieurwesen einst Weltgeltung verschaffte.
Als Ingenieur und Künstler war er einer der Menschen, die Prof. Walter Gropius
im Sinn hatte, als er 1919 in Weimar das Bauhaus gründete. Konrad Preitz
ist weit mehr als nur einfach ein vergessener Harzmaler. Wie in einem Brennspiegel
bündelt er in seiner Biographie einen Abschnitt deutscher Technik- und Kunstgeschichte
ohne selbst im Rampenlicht der Öffentlichkeit gestanden zu haben. Aber gerade
das ist ja das Spannende.
Dr. Michael Schäf |