Laudatio:
Konrad Preitz, Flieger, Ingenieur und Maler
Es war an einem Abend im März, als mich Carmen
Rödiger aus Kerpen, die ich ein paar Wochen zuvor durch Zufall kennengelernt
hatte anrief und mich fragte: „Sag mal, kennst Du eigentlich einen Maler
mit dem Namen Konrad Preitz, oder auch Peer Harz? Ich habe da einige Bilder von
ihm, die sind einfach toll.“
So ist es Carmen Rödiger, der ich an dieser Stelle für diese Frage noch
einmal ganz herzlich danke, letztendlich zu verdanken, daß wir heute diese
Ausstellung eröffnen können. Sie hat den Stein ins Rollen gebracht,
denn was macht ein Journalist, wenn er eine solche Frage gestellt bekommt und
darauf nur antworten kann: Nein? Er geht er daran diesen Konrad Preitz nun kennenzulernen,
sonst wäre er wohl kein Journalist. Er nimmt die Witterung anhand der Bruchstücke
auf, die er zunächst hat, einen Namen, die Beschreibung einiger Bilder und
einen Ort, Gernrode im Harz. Name ist immer gut und Ort ist immer gut. Damit läßt
sich etwas anfangen.
Also setzte ich mich am nächsten Tag an meinen Rechner und durchforstete
das Internet, ohne jedoch auf eine Spur zu stoßen. Nun gut, dachte ich,
dann eben auf die althergebrachte Weise, griff zum Telefon und rief die Pressestelle
der Verwaltungsgemeinschaft Gernrode an. Aber auch dort stieß ich nur auf
ein Kopfschütteln. Nun gibt es fast in jedem Ort eine Person, die sich mit
der Geschichte dieses urbanen Raumes und den Menschen, die dort leben auskennt,
einen unbestallten Ortschronisten aus Leidenschaft gewissermaßen. Diese
Person zu finden, das ist eines der Geheimnis einer erfolgreichen Recherche. Und
da konnte mir die Pressestelle weiterhelfen. „Rufen Sie doch einfach einmal
die Frau Ursula Matthias an, die wird ihn bestimmt kennen“. Und Frau Matthias,
die heute unter uns weilt und der ich an dieser Stelle nochmals danken möchte,
kannte ihn tatsächlich, diesen Konrad Preitz.
Sie nannte mir die Telefonnummer seiner Tochter Waltraud und über sie kam
ich zu Carla Preitz, der dritten Tochter und zu Ulrike Lordan, der Enkelin, die
mich in allen Phasen der Vorbereitung dieser Ausstellung unterstützend begleitet
haben. Dafür meinen ausdrücklichen Dank.
Jetzt war der Weg vorgezeichnet, den ich zu gehen hatte, um Konrad Preitz auf
die Spur zu kommen. Journalistische Kleinarbeit, ein Puzzlespiel, zu dem viele
in der Folgezeit Teile für mich bereitlegten, die Akademie der Künste,
das Zerbster und das Dessauer Stadtarchiv, das Archiv der Hochschule in Köthen,
die Hans -Grade-Gesellschaft in Burkheide, Bernd Junkers, Enkel des Firmengründers
Prof.Dr. Hugo Junkers, Peter Schmitz aus Düsseldorf, Schwiegersohn des Konrad
Preitz, der mit seinem Versuch ihn vor Jahren im Kölner Raum seinen Schweigervater
zur Ausstellung zu bringen an der Ignoranz der dortigen Galerien und am Desinteresse
des Zeitgeistes scheiterte, Frau Schönbeck und Frau Schwanitz, die ihn kannten
und seine Schülerinnen waren, um nur einige zu nennen. Allen meinen herzlichen
Dank.
Schritt für Schritt eröffnete sich mir die Lebensgeschichte eines Mannes,
die spannender nicht sein kann. Konrad Preitz, Flugzeugingenieur, Testpilot, Maler
und Schreiberling. Da ist einer, der sich für die Fliegerei begeistert, als
sie noch in den Kinderschuhen steckt, der 1921 in den Dessauer Junkerswerken ein
Praktikum absolviert, sich noch im gleichen Jahr am Polytechnikum in Köthen
immatrikulieren läßt, Ende 1923 das Studium schmeißt und wieder
zu Junkers geht, wo er bis 1945 als Ingenieur und Werkspilot arbeitet. Und er
malt, sucht die Nähe zum Bauhaus in Dessau.
In den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts trifft er mit großen
Persönlichkeiten der Luftfahrtsgeschichte zusammen, mit dem deutschen Fliegerpionier
Hans Grade, dem in Amerika lebenden russischen Flugzeugkonstrukteur Igor Sikorsky
und dem Architekten, Tüftler, Künstler und Flugzeugbauer Gustav Lilienthal.
Mit Pinsel und Stift beobachtet er in den 50er Jahren, nun schon in Gernrode im
Harz mit seiner Familie lebend den Bau der Rappbodetalsperre.
Und schon als ich den ersten Bilder von ihm begegnete war mir klar, den zerrst
du wieder an das Licht der Öffentlichkeit. Folgerichtig erfolgte ein Telefonat
mit dem Präsidenten der Maria-Pawlowna-Gesellschaft Wolfgang Knappe. Ich
wußte, hier im Europahaus Schloß Kromsdorf, wo seit Jahren Wiederentdeckungen
auch gegen den Zeitgeist betrieben werden, wo Kultur nicht totes Objekt des schönen
Scheins ist, sondern in der Kommunikation, im Austauch von Ideen und Ansichten
zu sich selbst kommt, da findest du offenere Ohren, als in den gläsernen
Schauläden des sinnierenden Ausverkauf von Lebendigkeiten. Hier, da war ich
mir sicher würde Konrad Preitz nicht zum Objekt der Begierde kleinbürgerlicher
Beschaulichkeit werden.
Hier in diesem Schloß, in dem noch immer der Putz von den Wänden bröckelt,
während sich die Abgeordneten des Thüringer Landtages auf 1.000 Eurostühlen
den Hintern wärmen, würde er, auch wenn er schon lange nicht mehr lebt,
mit seinen Bildern mitreden, Ideen anzetteln und Fragen stellen können.
Ich mußte an meinen geliebten Karl Kraus denken, gewissermaßen ein
Zeitgenossen von Konrad Preitz und das was er uns so spitz ins Stammbuch geschrieben
hat:
„Löst es nur auf und unbefangen dringt
bis auf den Rest der Werte und der Sachen.
Verschont die Kunst nicht, der es doch gelingt,
aus der Lösung wieder ein Rätsel zu machen!“
Antworten, Lösungen werden heute von der Politik bis hin zu den Sonderangebote
der Supermärkte wie warme Semmeln feil geboten, nur scheint es mir, daß
uns langsam Fragen dazu abhanden kommen.
Wolfgang Knappe zögerte nicht lange und nahm mich mit meinem Projekt im Schloß
Kromsdorf auf. Dafür meinen ausdrücklichen Dank.
Der Maler Konrad Preitz. Er fühlte sich zeitlebens der Tradition des Realismus
verpflichtet, ohne sich in irgendeiner Weise festnageln zu wollen. Seine Bilder
sind immer geprägt von seiner konkreten räumlichen und zeitlichen Wahrnehmung,
wiederspiegeln sein aktuelles subjektives Empfinden. Wie mit dem Pinsel fotografierte
Augenblicke des Übergangs von der objektiven Welt in die subjektive eigene
Welt. Damit sind sie im wahrsten Sinne des Wortes auch ehrliche Zeitgeistreflexe.
Mit seinen Bildern kann man so durch seine Biographie und seine Zeit laufen. Und
er war auch immer wieder auf der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten,
um dieses subjektives Erleben der Wirklichkeit für sich festzuhalten, experimentierte
mit den Techniken und machte dabei, wieder auch ganz Ingenieur aus der Not eine
Tugend. Das Nichtvorhandensein von Farben und Zeichenmaterial ließ ihn nicht
etwa resignieren . Eine Herausforderung war das für ihn, die ihm gut zu Paß
kam.
Er benutzte alte Tapeten und alles, was ihm sonst noch unter die Finger kam, entwickelte
Mischtechniken, male mit Milch, Ruß und Tinte, mit Schuhcreme, kombinierte
immer wieder auf neue Art und Weise. Und es machte ihm Spaß diese Experimente
und die Neugier und Spannung, die sich dabei aufbaute als Kunsterzieher nach dem
Ende des 2. Weltkrieges weiterzugeben.
In seiner letzten Schaffensperiode dominieren in seinen Bildern Gestaltungsfragen.
Gleich einem Forscher, der sich an sein Ergebnis herantastet ohne dabei abzulassen,
suchte er an ähnlichen oder sogar den gleichen Objekten nach der Ausdrucksformen,
die sein subjektives Erleben am besten ins Bild setzen konnten. Wie sehr er in
seinem Schaffen auch immer wieder Techniker war, sich in seiner Persönlichkeit
nicht spalten lassen wollte, das zeigt z.B. seine Serie über das alte Dessau.
Mit der Präzession eines technischen Zeichners skizziert er die Perspektiven,
gestaltet er Räume, ohne eine technische Zeichnung anzufertigen. Beeindruckende
Bilder, die mich immer wieder an meinen Vater erinnern.
Mein Vater Jahrgang 1915, gelernter Werkzeugmacher, Autodidakt, technischer Zeichner,
Fachschuldozent an der Ingenieurschule für Keramik in Hermsdorf und Schreiberling
sein Leben lang. Als Kinder hat er uns vor allem in den Vorweihnachtstagen Burgen
und Schlösser aus meiner Heimat mit einer ähnlichen Präzision gemalt
und uns zum Malen angehalten. Vorweihnachtszeit war Malzeit. Ich erinnere mich
noch heute an ein Skizzenbuch, das er gefüllt hatte und das über die
Jahre wie ein Heiligtum aufbewahrt und immer mal wieder von uns Kindern ehrfürchtig
aufgeschlagen wurde.
Faszinierend zu sehen, wie Konrad Preitz in seinen Bildern auch der Technik, die
der Anstrengung des naturwissenschaftlichen Gedankens, und der Anstrengung des
Körpers bedarf ihre Ästhetik wieder zu geben Vermochte. Seine Bilder
über den Bau der Rappbodetalsperre oder die Studie des Kalksteinhauers sind
ein Belegt dafür. Konrad Preitz steht als Ingenieur und Künstler in
Person fast symbolhaft für den Gedanken der Vereinigung und Versöhnung
von Kunst und Technik, der von den Bauhauskünstlern in Weimar und Dessau
herausgearbeitet wurde.
Als ich Texte von Konrad Preitz aus den zwanziger und dreißiger Jahren von
ihm laß, da stellte ich fest, wie modern er doch damals schon dachte. Sätze
aus seiner Novelle „Sturm“, die er aus dem Erleben einer Begegnung
mit Gustav Lilienthal heraus schrieb und in der er über den Ingenieurgeist
philosophierte sind auch heute noch an jeder Fachhochschule zitierfähig.
Eines ist angesichts der Misere des deutschen Ingenieurwesens sicher, wir bräuchten
sie dringend, diese Konrad Preitze, dann hätten wir vielleicht weniger „Nieten
in Nadelstreifen“ in den Führungsetagen der Wirtschaft, könnte
sich das deutsche Ingenieurwesen wieder an die Weltspitze setzen.
Noch ist diese spannende Biographie nicht zu Ende geschrieben, liegt vieles im
Dunkeln der Geschichte. Aber schon seine Bilder, die nun in dieser Vielfalt erstmaligst
zur Ausstellung kommen zeugen davon, daß es sich da um einen "irren
Typ" handelt, der sich nicht in das Korsett schmalspuriger und deshalb schmalbrüstiger
Bildungsbürgerlichkeit pressen lassen wollte.
Konrad Preitz ist weit mehr als nur einfach ein vergessener Harzmaler. Wie in
einem Brennspiegel bündelt er in seiner Biographie einen Abschnitt deutscher
Technik- und Kunstgeschichte ohne selbst im Rampenlicht der Öffentlichkeit
gestanden zu haben. Aber gerade das ist ja das Spannende.
So darf ich sie alle zu dieser Wiederentdeckungen des Malers, Ingenieurs und Fliegers
Konrad Preitz, der sich auch Peer Harz nannte, ganz herzlich einladen.
Dr. Michael Schäf
Kurator der Ausstellung |