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Klimafaktor Wald aus dem Orbit im Visier

Sibiriens Wälder stehen als Klimafaktor unter intensiver Beobachtung der EU. Koordiniert wird diese Observation von Thüringen aus, genauer von Geoinformatikern in Jena.

Ein Rauchsäule steht weithin sichtbar über den Gipfel der Bäume. Der Wind stößt in die Flammen, und läßt sie auflodern. Wie gierige Raubtiere fressen sie sich ungebremst durch die Taiga. Auf den Satelittenaufnahmen sind mehrere solcher Brandherde in der schier endlos erscheinenden Landmasse Sibieriens zu sehen. Diese Brände sind zu 90 Prozent nicht auf natürliche Ursachen zurückzuführen, sondern auf menschliches Handeln, auf unsachgemäß gelöschte Grillfeuer im Wald oder auf achtlos weggeworfene Wodkaflaschen, die das Sonnenlicht wie ein Brennglas bündeln und den Waldboden entzünden, das wissen nicht nur diejenigen, die einen Teil der 12,5 Millionen Quadratkilometer großen Fläche Sibieriens fernerkunden.

An anderer Stelle, außerhalb der Sichtweite der Rauchsäulen splittert Holz unter Äxten und Sägen, wird Bäumen das Astwerk vom Stamm gerissen und diese dann in abfahrfähige Stücke zerlegt. Schon nach Tagen klafft in den Wäldern eine Lücke oder der Waldbestand hat sich sichtbar verdünnt. All zu oft erfolgt der Waldeinschlag unkontrolliert und ohne Wissen der Forstbehörden, die es eigentlich nur noch auf dem Papier gibt. Von einer funktionsfähigen staatlichen Fortswirtschaft kann nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und ihrer Administration keine Rede mehr sein und nachhaltige Forstwirtschaft ist in vielen Gebieten Rußlands ein Fremdwort, auch wenn es Bemühungen gibt, die Situation wenigstens partiell in den Griff zu bekommen. Die Begehrlichkeiten nach dem Holz Sibiriens allerdings haben zugenommen.

Welche Ausmaße die unkontrollierte Abholzung in der Taiga ohne nachhaltige Aufforstung und die Vernichtung von biologischer Masse durch Grillfeste in Wodkaseeligkeiten verursachte Brände bereits angenommen hat kann nicht einmal Greenpeace, die sonst jede Naturzerstörung akribisch beobachten sagen.

Da liegen nur Fakten für den Holzeinschlag im europäischen Teil Rußlands, insbesondere im Raum vor Archangelst, wo Dutzende Holzfirmen am Werke sind vor. Dort fällt in den Urwäldern nach Angaben der Umweltschutzorganisatin alle 30 Sekunden eine 20 Meter hohe und 200 Jahre alte Fichte und das seit Jahren.

Hauptprofiteure diese Holzeinschlages sind die westlichen Industrienationen, die das billige und qualitativ hochwertige Holz aus Rußland importieren, auch Deutschland. Eine Notwendigkeit, Holz zu importieren um den Bedarf hier zu decken bestehe nicht, sagt der thüringer Umweltminister Dr. Volker Sklenar. Da mag er wohl recht haben, allein schon die Tatsache, das Jahr für Jahr Holz aus thüringer Forsten z.B. nach China und die USA exportiert würden spricht dafür.

Nach Angaben von Greenpeace wurden im Jahr 2000 in Deutschland Holz und Papier im Wert von 280 Millionen Euro aus Rußland importiert hat.

Der Geoinformatiker Dr. Sören Hese schieb zwei Aufnahmen übereinander. Die erste Abbildung stammt aus dem Jahr 1990, die zweite wurde 2000 aufgenommen. Für diese Aufnahmen nutzten die Wissenschaftler multitemporale Satellitendaten von Radarsonden und Multispektralsensoren. Es ist zu erkennen, daß sich die Waldflächen innerhalb von zehn Jahren verändert haben. "Auf unseren Bildern sind deutlich Abholzungen und Waldbrandnarben zu sehen", erläutert er die Veränderungen, die sich in Rottönen darstellen. Wenn der Wald, so erklärt, er weiter in großen Ausmaß vernichtet werde, dann habe das gravierende Auswirkungen auf das Klima.

Und genau darum geht es dem Team vom Institut für Geographie der Jenaer Friedrich-Schiller-Universität um die Prof. Dr. Christiane Schmullius. Sie wollen nicht dem Raubbau in den Wäldern und der der hausgemachten Vernichtung durch Brände schlechthin auf die Spur kommen.

Die Arbeit der Forscher konzentriert sich auf die Vegetation als Klimafaktor. Im Mittelpunkt steht die "Entwicklung von Methoden zur genauen Ableitung und Klassifizierung derartiger Veränderungen am Beispiel von Gebieten mit sehr unterschiedlicher Veränderungsdynamik" erklärt die Jenaer Wissenschaftlerin, die das EU-Forschungsprojekt SIBERIA (SAR Imaging for Boreal Ecology and Radar Interferomety Applications) koordiniert.

Die EU will mit diesem Projekt eine genaue Beobachtung solcher Vegetationsveränderungen, die bisher nur bis zu einem gewissen Grade von anderen Staaten und Organisationen überprüft werden konnten ermöglichen. Insgesamt 43 Millionen Euro läßt sich die Europäische Gemeinschaft das Projekt kosten.

In der ersten Phase von 1998 bis 2002 (SIBERIA I) wurden bestimmte Testflächen beobachtet, um entsprechende Methoden zu erarbeiten und auf ihre Tauglichkeit hin zu untersuchen.

Im Ergebnis dieser Forschungen liegt nun eine erste großflächige Anwendung der Radarfernerkundung in Zentralsibirien für die Erstellung einer Walddichten- und Landoberflächenkarte für Klima- und Vegetationsmodelle vor.

" Dabei stellten wir u.a. fest", so die Jenaer Geoinformatikerin Schmullius , daß wir bisher falsche Vorstellungen von der tatsächlichen Biomasse diese Gebietes hatten. Die Taiga stellt keine in sich geschlossene Waldmasse dar, wie das landläufig oft angenommen wurde, sondern zeigte sich sehr zergliedert", eine Tatsache, die von großer Bedeutung für die Berechnung der Wirkungen dieses Gebietes auf das Klima ist.

In der zweiten Phase (SIBERIA II) von 2002 bis 2005 werden Daten von insgesamt zwölf Fernerkundungs-Satelliten ausgewertet, um so für sogenannte Dynamische Vegetationsmodelle, die Bausteine für Klimamodelle darstellen entsprechendes Material zu liefern. Dabei rückt ein Gebiet in der Größenordnung von zwei Millionen Quadratkilometern - das entspricht dem sechsfachen des Territoriums der Bundesrepublik Deutschland - mit riesigen Wäldern und Sumpfgebieten ins Visier der Forscher aus Deutschland, Östereich und Großbritannien.

Im Zentrum steht dabei in einem ersten Schritt zunächst die genaue Analyse und Kartierung von Veränderungen der Waldbedeckung über einen bestimmten Zeitraum.

Daß der Wald für die Klimamodellierung so eine hervorgehobene Rolle spielt kommt nicht von ungefähr. Er ist in der Bilanz der Treibhausgasemissionen ein entscheidender Rechnungsfaktor.

Von den verschiedenen Treibhausgasen weist Kohlendioxid (CO2) einen sehr komplexen Kreislauf auf, in dem sogenannte Senken, die CO2 auf natürliche Art und Weise aufnehmen und über einen längeren Zeitraum speichern für das Klima eine wichtige Funktion haben. Der Wald stellt neben den Ozeanen und dem Boden eine solche (CO2)- Senke dar. Durch den Pflanzenwuchs werden über die Photosynthese Kohlendioxide gebunden und so der Atmosphäre für Jahrzehnte entzogen.

In Thüringen mit seinen reichhaltigen Waldbeständen sind das jährlich ca.4,7 Millionen Tonnen CO2. Um die Bedeutung dieses natürlichen Vorganges in einer Welt, in der die Treibhausgase, zu denen das CO2 zählt vor allem von den Menschen in die Atmosphäre eingebracht werden, also die Emission nicht natürlichen Ursprungs ist kann man sich beispielhaft eine Tatsache vor Augen halten.

Ein PKW emittiert bei einem Durschnittsverbrauch von 7 Litern auf 100 Kilometern und einer jährlichen Fahrleistung von 10.000 Kilometern 1,6 Tonnen CO2. Das heißt nichts anderes, als daß der Wald im Freistatt gewissermaßen den jährlichen CO2-Ausstoß von 2.937.500 PKW freiwillig, ohne Rechnungslegung und staatliche Auflagen deponiert.

Bei dem gegenwärtigen durchschnittlichen Verkehrsaufkommen in Thüringen von 41.000 Fahrzeugen auf den Autobahnen und 8.000 auf den Bundesstraßen bedeutet das unter der oben angenommenen Verbrauchs- und Kilometerleistung, daß damit ca 16,2 Prozent des CO2-Ausstoßes der Fahrzeuge, die durch den Freistaat rollen allein durch die Wälder mit ihrer Biomasse der Atmosphäre entzogen und für lange Zeit umweltverträglich sicher gespeichert werden.

Auch wenn diese "Milchmädchenrechnung" so nicht stimmen kann, weil hier die durchschnittlichen Verbrauchs- und Kilometerleistungen von PKW angenommen wurden und damit der Last- und Schwerlastverkehr mit ganz anderen Parametern keine Berücksichtigung findet macht dieses Rechenbeispiele doch deutlich, welche Klimaschutzarbeit der Wald ganz von sich aus leistet, wenn er denn intakt ist.

Wenn man dabei noch berücksichtigt, daß im Grünen Herzen Deutschlands mehr als 30 Prozent der gesamten CO2-Emissionen durch den Ausstoß verkehrsbedingter Abgase verursacht werden, wird das, was der Wald so ganz nebenbei leistet um so deutlicher. Auch unter diesem Gesichtspunkt bekommt die Gesundheit des Waldes eine herausragende Bedeutung, denn ein kranker oder halbkranker Wald kann nur mit reduzierter Kraft seine Klimaschutzarbeit leisten, weil eine u.a. an dem, was sie durch den Kraftverkehr angeboten, aber nicht schlucken kann kränkelnde Photosynthese eben nicht effektiv arbeiten kann.

So ist jeder Schritt zur Gesundung des Walde nicht nur ein Beitrag zur Erhaltung natürlicher Ressourcen und einer intakten Kulturlandschaft Natur, sondern auch ein Schritt in Richtung Klimaschutz.

Selbst dann, wenn dem Wald der Rohstoff Holz entnommen wird, geht die CO2-Speicherwirkung nicht verloren, denn bei der stofflichen Nutzung von Holz verbleibt das einmal organisch gebundene CO2 im entsprechenden Endprodukt, selbst wenn es nur eine Zaunslatte ist. Ein Kleingärtner leistet , wenn er sein geliebtes Quadrat zum Schutz vor dem bösen Nachbarn und anderen Neugierigen nicht mit einem Maschendrahtzaun, sondern auf althergebrachte Art und Weise hölzern umzäumt auch einen Beitrag zur die Reduzierung der CO2-Emission.

Die Speicherfunktion von Holz lenkt auch unter diesem Gesichtspunkt die Aufmerksamkeit auf den Baustoff Holz. Mit jedem Quadratmeter verbauten Holz wird eine CO2-Emission von ca 1 Tonne vermieden, immer vorausgesetzt, daß der Forst nachhaltig bewirtschaftet wird, d.h. daß ihm nur so viel Holz entnommen wird, wie auch wieder aufgeforstet wird. Beton kann mit einer solchen Klimaschutzleistung nicht aufwarten, da kann er sich mischen, wie er will.

Und auch bei der Nutzung des Holzes als Energiequelle können noch Klimaschutzeffekte gegenüber der Verbrennung fossiler Brennstoffe erreicht werden. Zwar wird bei der Verbrennung von Holz auch CO2 freigesetzt, aber immer nur in der Größenordnung, wie durch eine nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes durch diesen wieder gebunden wird.

Und das macht eben den entscheidenden Unterschied, denn bei der energetischen Nutzung fossiler Brennstoffen ist Nachhaltigkeit beim gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnissstand und technischem Vermögen einfach nicht zu machen, es sei denn es gelingt einem Genie eine Methode zu entwickeln, die es erlaubt bestehende Baumbestände innerhalb weniger Jahre zu Kohle oder Erdöl zu verpressen. Da sind diejenigen, die den alten, aus der Nachkriegszeit noch bekannten Holzvergasermotor wiederbeleben wollen eindeutig mit den besseren Kartenausgestattet, denn sie befinden sich, wenn auch vielleicht antiquarisch auf dem Weg, den der Direktor des Potsdamer Institutes für Klimaforschung Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber auf dem ersten Thüringer Klimaforum im April des letzten Jahres in Erfurt empfahl und auf dem "wir" nach seiner Auffassung durch den Ersatz "fossiler Brennstoffe durch regenerative Energien" den "Klimaschutz quasi gratis mit erhalten" werden.

Die Geoinformatiker in Jena, die das Projekt SIBERIA II koordinieren, mit dem das Verständnis von Prozessen der Kohlenstoffverbindungen bzw.. CO2-Freisetzung durch die Vegetation mittels der Fernerkundung auf gesicherte Beine gestellt werden soll, rücken dabei so ganz nebenbei den Rohstoff Holz in ein zentrales klimatisches Licht auch wenn das nicht in ihrer unmittelbaren Absicht liegt.

Ihnen geht es zunächst um globale Zusammenhänge, die aber, wie das Dieter Althaus auf eben diesem Forum in seinem Beitrag betonte in lokales Handel übersetzt werden müssen.

Nach der Analyse und Kartierung von Veränderungen der Waldbedeckung über einen bestimmten Zeitraum sollen, so lautet die Beauftragung des SIBERIA-Projektes dann alle zehn Tage die jahreszeitlichen Veränderungen dokumentiert werden.

"Die Fernerkundung liefert", so erklärt Dr. Hese, "die Werkzeuge, um solche Veränderungen der Waldbedeckung zu erfassen."

So wird es möglich in die Vorarbeiten der Daten für die Klimamodellierung die Tatsache einfließen zu lassen, daß sich jahreszeitlich bedingt Änderungen in der Fähigkeit der Vegetation Kohlendioxid zu assimilieren ergeben.

Im Winter, in dem die Pflanzen in einen anabiotischen Zustand verfallen bauen sie keine organischen Stoffe mehr auf und verarbeiten und speichern damit auch keinen Kohlenstoff mehr. Sibirien mit seiner großen Vegetationsdecke und seinen klimatischen Zyklen eignet sich gut, um zu Ergebnissen zu gelangen, die dann auf andere Erdteile hochgerechnet werden können.

Dr. Michael Schäf


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